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Rückzug ins Privat-Voyeuristische: Nasen statt Inhalt!
Es gab Zeiten, wo die Menschen – neben allen berechtigten privaten Anliegen – auch noch einige gesellschaftliche & politische Anliegen verfolgten. Diese Zeiten scheinen lange vorbei zu sein. Die globalisierte Welt ist zu komplex, zu schnell, zu unberechenbar, korrupt & krisenanfällig geworden. Da zieht man sich doch lieber zurück in seine private & überschaubare Welt und überlässt die grossen, komplizierten Themen anderen. Da konzentriert man sich mit Vorliebe auf die nähere Umgebung und insbesondere auf seine Mitmenschen. Auf den Partner, die Familie, Bekannte & Freunde und die süssen, knuffligen Haustiere – und natürlich auch auf die vielen interessanten Prominenten, die schliesslich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben wie Markus Meier und Mandy Müller.
Der Rückzug ins Private, Überschaubare, Schnucklige, Voyeuristische wurde natürlich nicht erst gestern eingeläutet, sondern schon vor vielen Jahren – aber er hat inzwischen dermassen groteske Ausmasse angenommen, dass man sich schon fast eine Revolution herbeiwünscht. Eine Revolution, die all diese unsäglich dämlichen Artikel hinwegfegt wie etwa „Die 10 kürzesten Affären von Taylor Swift", „Sissi, die süsseste Siam-Katze der Welt", „Skandal-Solarium-Mutti: Ich will in der Sonne brutzeln wie Frühstücks-Speck", „Stimmen Sie ab über die neue Frisur von Justin Bieber", „Dieses Handy ist ein klares Muss für Ihre Kids!", „So verpassen Sie keinen Promi-Tweet mehr", „Die 5 schönsten Frühlings-Farben für Ihre Acryl-Nägel", „Übler Zoff um Schalke-Schal", „Wüste Schlägerei im Parlament – auf dem Damen-Klo!", „Justin Biebers Hamster ist tot" oder „Gewinnen Sie ein Treffen mit den Pudeln der Jacob Sisters".
Emil Steinberger, der Schweizer Kabarettist & Autor, hat es wahrscheinlich am schönsten gesagt: „Die Leute kümmern sich heutzutage vor allem um sich selbst, um ihr eigenes Gärtchen. Und die Medien füllen ihre Leser vor allem mit Privat-Geschichten ab: Wer liebt wen? Wer hat Sex mit wem? Nur noch das Unmittelbare, das Lokale, das Private interessieren. Ja gopferteli, wenn es so weitergeht, werden irgendwann auch unser Kopf und unsere Gedanken kleiner. Dabei wäre gerade das Umgekehrte gefragt: Wir sollten weiter blicken, grösser denken, Grenzen überschreiten. Wir sollten uns verändern."
Ja, ja, schon klar, aber zuerst wollen wir noch schnell schauen, welcher Star im Supermarkt das Alkohol-Regal gestürmt hat – zwei Wochen nach Entlassung aus der Entzugs-Klinik. Und welcher Herzensbrecher gerade mit welcher Schlampe im Auto erwischt wurde. Und wer schon wieder versucht, das frische Gesichts-Lifting mit regelmässigem Wasser-Trinken zu erklären. Und wer hat jetzt 5 Kilos mit 5 Ananas in 5 Tagen abgespeckt? Sissi, die süsse Siam-Katze, Cindy, die süsse Wetter-Fee oder Olli, der dicke Komiker? Und warum erzielt dieser amerikanische Fernseh-Star, der Prostituierte verprügelt und Familien-Packungen Kokain konsumiert, immer noch so hohe Einschalt-Quoten?
Seit Jahren wird Journalisten & Schreiberlingen eingetrichtert, Stoffe aller Art möglichst über „saftige People-Storys" zu verkaufen – bloss nicht über langweilige, trockene Fakten. Auf diese Weise liessen sich Komplexität herunterbrechen und Stoffe greifbar machen. Egal ob Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur oder was auch immer – (fast) alles wird heute über Figuren erzählt. Im Boulevard & Entertainment sowieso. „Nasen statt Inhalt!" heisst das in der Branche.
„Boulevardisierung", so der deutsche Medien-Wissenschaftler Siegfried Weischenberg, „bedeutet ‚Entgrenzung' des Journalismus mit folgenden Faktoren: Familiarisierung, Simplifizierung, Polarisierung, Melodramatisierung und Visualisierung aller Themen."
In (fast) allen Medien zeigt sich dieser Rückzug ins Vertraute, ins Heimatlich-Regionale, ins Überschaubare und gerne auch Voyeuristische. In so vielen Zeitungen & Zeitschriften, auf so vielen Internet-Portalen, in so vielen Fernseh-Sendungen, in so vielen Köpfen ...
Innovation im Print-, Online- und TV-Journalismus bedeutete in den Nuller-Jahren vielerorts eine gewisse Verschiebung von klassisch, langweilig & trocken hin zu bunt, dramatisch & feucht. Hier noch schnell ein paar frische Promi-News, da noch eine „Die-10-besten-Irgendwas-Liste", dort noch rasch ein lustiges kleines Filmchen in saftigem „Alarm-Deutsch". Sogenanntes Alarm-Deutsch („Teppich-Luder wieder schwanger", „Süsser Nachwuchs im Soester Zoo") erfreut sich heutzutage grosser Verbreitung – und wem es gelingt, aus einem Nichts an Information eine Menge Lärm zu pressen, ist gut im Geschäft. Alarm-Deutsch geht Hand in Hand mit sogenanntem Content, was eigentlich „Inhalt" heisst und früher einmal für bedeutungsvollen Inhalt gestanden hat. Aber das ist lange her. Der (neu-deutsche) überstrapazierte Fachbegriff „Content" ist längst zum Schimpfwort verkommen.
„Content" bezeichnet heute schnell, preiswert, lieblos und industrialisiert hergestellte Medien-Inhalte aller Art mit viel billigen Emotionen (Feeling) zur Unterhaltung & Zerstreuung. Jede Menge People & Boulevard, Tiere & Gadgets, Lustiges & Ärgerliches, Spass & Tränen. Content heisst: Heiss & kalt, schnell fühlen und schnell wieder vergessen. Leichte, billige, trashige Medien-Kost. Angereichert mit möglichst vielen schnellen E-mo-tio-nen – im Dutzend natürlich billiger ...
Denn auch morgen wird wieder irgendwo geschossen, gefoult, gekrault, gefilmt, geküsst & fremdgegangen ...
Nicht nur die Gratis-Zeitungen sind voll mit „Content". Auch die sogenannte Qualitäts-Presse setzt – neben jeder Menge PR – verstärkt auf „Content". Die meisten Medien-Portale im Internet sowieso (sie müssten längst „Content-Portale" heissen ...) – und in vielen Fernseh-Konzernen werden mit dem gleichen „Content" jede Menge einzelner Sendungen „abgefüllt", jeweils in etwas unterschiedlicher Zusammensetzung. Das ist günstig, das ist effizient, das ist modernes Medien-Management.
Die Storys sollen möglichst starke Emotionen wecken, sei es Freude, Schadenfreude, Anteilnahme, Mitleid, Verblüffung, Verwirrung, Empörung oder Abscheu. Selbstverständlich wird dabei auch zur Genüge der Voyeurismus bedient: Leser & Zuschauer wollen Pikantes sehen, Amüsantes, Schnuckliges, Schlüpfriges, Peinliches, Grusliges, Verbotenes.
Als Säulen des heutigen Massen-Programm-Journalismus gelten:
- Schicksal
- Prominenz
- Sex & Crime
- Katastrophe
- Geld
- Kinder
- Tiere
„Je mehr dieser Kriterien ein Thema erfüllt, desto besser", heisst es in der Branche, „ein Programm für die Mehrheit muss die Bauch-Erwartung befriedigen."
Im Print-, Online- und Fernseh-Journalismus dominieren heute drei Ziele, die (zu) viele Medien-Macher vor Augen haben:
1. Die Leute suchen ein bisschen Information.
2. Die Leute suchen ganz viel Unterhaltung & Zerstreuung.
3. Die Leute wollen sich orientieren und mit anderen vergleichen.
Die Menschen erkennen gerne ihre eigene Welt wieder, in welcher Form auch immer. Sie wollen ihre Neugier befriedigen und stellen – meist unbewusst – laufend Vergleiche an. Sie wollen sich einordnen und orientieren – und diese Vergleiche sollen bitteschön auch öfter mal zu ihren Gunsten ausfallen. Denn beim Leser oder Zuschauer soll sich das beruhigende Gefühl einstellen, das eigene Leben sei zwar unter Umständen auch kein Brüller, aber so im direkten Vergleich mit diesem Charlie oder jener Cindy doch eigentlich ganz in Ordnung. Und ansonsten kommt morgen wieder ein neuer Charlie und nächste Woche eine neue Cindy, wo der Vergleich dann schmeichelhafter für uns ausfällt. Ganz unbewusst natürlich ...
Andy Warhol hat es bekanntlich als Erster gewusst. "In der Zukunft", so prophezeite der Papst der Pop-Art in einem legendären Statement von 1968, "wird jeder für 15 Minuten berühmt sein. Und es wird keinen Unterschied machen, wofür da einer berühmt ist, die Macht der Medien reicht als Antwort."
Amen – so ist es geschehen. Es tauchen immer mehr Prominente auf, die vor allem dafür bekannt sind, bekannt zu sein. Casting-, Doku- und viele ähnliche Formate & Events sowie ihr mediales Umfeld generieren als eine Art Durchlauf-Erhitzer eine sich laufend erneuernde Klasse von Prominenten auf Zeit. Spezifische Kompetenzen, herausragende Leistungen, ein klingender Name oder eine gewisse gesellschaftliche Stellung sind nicht mehr zwingend notwendig. Nichts können – das aber besonders gut – kann durchaus ausreichen. Zu nichts Besonderem, aber dafür zu allem fähig sein, ist oft schon mehr als genug. Ein bisschen überspitzt formuliert ...
Dabei kann Andy Warhols berühmter Ausspruch „Jeder kann in Zukunft für 15 Minuten ein Star sein" auch nach Belieben abgewandelt werden. Zum Beispiel in „Jeder kann ein Star sein, der beinahe 15 Minuten lang mit einem wirklichen Star geschlafen hat".
Medien-Wissenschaftler Jo Groebel nennt dieses Phänomen „die Demokratisierung der Prominenz": „Prominent ist, wer prominent ist. Das ist ein selbst-referenzielles System geworden. Je häufiger jemand abgebildet wird, desto prominenter ist er. Prominenz heisst Wiedererkennungs-Wert auf der Strasse, Sende-Zeit, Raum in entsprechenden Gazetten."
Viele Medien leben – vereinfacht ausgedrückt – von der Wechselwirkung zwischen dem Voyeurismus der Leser/Zuschauer und dem Exhibitionismus der Stars & Möchtegern-Stars.
Und das Karussell dreht & dreht sich, und laufend springen neue Protagonisten auf – und werden andere zum Absteigen gezwungen. Die Welt ist eine grosse Casting-Bühne permanenter Selbst-Darsteller geworden, die ihr Image und ihr Ich immer mehr zu verschmelzen versuchen. Vorangetrieben wird die gezielte Inszenierung durch die alten genauso wie durch die neuen Medien, insbesondere durch Fernsehen und Internet. Die Währung heisst Aufmerksamkeit.
Architektur-Wissenschaftler & Autor Georg Franck bringt es auf den Punkt: „Aufmerksamkeit wird zum Wert an sich, Beachtung zum zentralen Kapital. Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist etwas, von dem wir einfach nicht genug bekommen können. Das Verlangen wächst der Befriedigung ganz schnell nach."
Ganz neu ist das natürlich nicht. Eine gewisse Selbst-Inszenierung ist Teil des menschlichen Lebens. Schon morgens vor dem Spiegel oder bei der Auswahl von Kleidung & Schmuck setzen wir bewusste Signale. Und viele Situationen im täglichen Leben stellen eine Art „Casting" dar – sei das nun ein Rendez-Vous, ein Vorstellungs-Gespräch, eine Wohnungs-Besichtigung, eine Präsentation in der Firma und vieles mehr. Nur finden diese Prozesse normalerweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Und das ist in sehr vielen Fällen auch gut so. Heutzutage wird die Öffentlichkeit aber geradezu gesucht. Für alles & nichts. Das halbe Leben ist zur Bühne geworden, zur Ausstellungs-Plattform, zum Präsentier-Teller. Der Kampf um Aufmerksamkeit ist allgegenwärtig. Die heute so verbreiteten Sozialen Netzwerke stellen bereits einen ersten Schritt in die „globale Casting-Show" dar und befriedigen den aufkommenden Wunsch nach öffentlicher Präsenz.
Immer mehr (junge) Menschen denken, dass man nicht wirklich existiert, bevor man seinen Namen gedruckt sieht; dass man unmöglich sich selbst sein kann, bevor man berühmt ist. Wie stelle ich mich am besten dar, wie muss ich mich „verkaufen"? Was ist meine Besonderheit? Wie erzähle ich meine Geschichte so, dass sie fasziniert? Wie beurteilen mich andere? Wie kann ich darauf einwirken? Wie werde ich bewundert, geliebt – und vor allem berühmt? Wer und was kann mir helfen, am schnellsten zum Ziel zu kommen? Die Pflege des eigenen Images, die Arbeit an der „Marke Ich" wird immer mehr als intelligentes, ja fast überlebenswichtiges Verhalten betrachtet.
Kein Wunder: Den jungen Leuten wird ja auch pausenlos eingetrichtert, du kannst alles aus dir machen, wenn du nur willst. Wenn du nur fest genug an dich & dein Talent glaubst und alles dafür tust, deinen Traum zu verwirklichen.
Personal Branding, heisst das auf Neu-Deutsch, Marken-Bildung beim Menschen. „Brand you!" schallt es uns permanent entgegen, sage & zeige, wer du bist. Mach deutlich, was dich als Person & Brand/Marke von den anderen abhebt. Als Angestellter im Supermarkt und noch viel lieber als Protagonist auf irgendeiner Medien-Bühne.
Medien-Präsenz ist quasi zum Ritterschlag des modernen Daseins geworden: Ich finde in der Öffentlichkeit statt, also bin ich. Und man findet statt, indem man – je nach Medium, je nach Publikum – das Gewünschte liefert. Illustrative Schicksale, emotionale Geschichten, saftige Konflikte, peinliche Momente, plakative Formulierungen, klare Wertungen, einprägsame Bilder etc.
Die Leser & Zuschauer ihrerseits suchen Ablenkung, Zerstreuung, Unterhaltung, Spass, Aufregung – sie wollen mit-lesen, mit-reden, mit-lachen, mit-fiebern oder sich so richtig schön mit anderen entrüsten. Heutzutage scheint breite Bevölkerungs-Schichten nichts mehr zu interessieren als andere Menschen mit ihren Träumen & Zielen, Hochs & Tiefs, Problemen & Abgründen. Und gerade in Zeiten computer-generierter Kontrolle, Perfektion und Schönheit darf es gerne un-perfekt, un-schön und un-erhört sein.
Autor & Journalist Tom Schimmeck spricht Klartext: „Der Journalist, der allein den Kopf anspricht, nicht auf Bauch & Unterleib zielt, muss fortan scheitern. Folglich organisiert sich das Nachrichten-Gewerbe zunehmend in Erregungs-Zyklen, will mit-reiten auf der grössten Gefühls-Welle: Egal ob ein Mord oder eine Massen-Karambolage zu vermelden ist, der lässliche Lapsus eines General-Sekretärs oder der Kuss zweier Film-Stars – wir machen es, weil alle anderen es machen. Wir bringen es ganz gross. Wir vergessen es ganz schnell. Denn der nächste Tsunami rollt ja schon an. Es gibt keinen Kontext mehr, keine Entwicklungen, keine Widersprüche. Nur den herausgelösten Moment, die Milli-Sekunde des Blitzlichts. Figuren stehen umgebungslos im Raum."
Hauptsache kurzfristiger Diskussions-Stoff. Die Menschen brauchen kollektive Themen, über die sie sich mit anderen austauschen können. Heute umso mehr, als dass Politik, Wirtschaft, Religion, Kultur und auch die Familie kaum mehr Vorbilder & Identifikations-Figuren liefern und viele Menschen den erwähnten weitgehenden Rückzug ins Private vollzogen haben. Die Menschen leiden unter einer gewissen Sinn-Entleerung und inhaltlichen Führungslosigkeit.
In diese Lücke springt noch so gerne das eine oder andere Print-, Online-, Social-Media- oder TV-Format, das den Lesern bzw. Zuschauern für einen kurzen Zeitraum ein Zusammengehörigkeits-Gefühl und eine gewisse flüchtige Orientierung vermittelt.
Und das Karussell dreht sich weiter und die Rollen vermischen sich, Leser & Zuschauer werden immer öfter selber zu Medien-Protagonisten – und anschliessend wieder zu Lesern & Zuschauern ...
„Es ist ihnen gelungen, die Gesellschaft grundlegend zu verändern, indem sie diese tieferlegten wie einen Opel Manta", konstatiert Autor & Journalist Michael Jürgs.
Jürgs, Verfasser des 2009 erschienenen Buchs „Seichtgebiete – Warum wir hemmungslos verblöden", kommt zu folgender Erkenntnis: „Es gibt offenbar ein generationen-übergreifendes gesamtdeutsches Bedürfnis nach der Seichtigkeit des Seins. Mittlerweile ist eine ganze Generation von Deutschen – hier stimmt endlich mal der Begriff ‚Generation'! – aufgewachsen mit Tutti-Frutti-TV. (...) Mitschuldig am Zustand dieser Gesellschaft sind (...) auch wir Journalisten, die sich übers dumme Volk und seine Helden lustig hermachten und dadurch ungewollt viele unbedarfte Deppen zu Stars hochgeschrieben haben. Prominente Null-Nummern werden von Gossen-Guys und -Girls in bunten Blättern oder TV-Magazinen schon in dem Moment als kultig bezeichnet, wenn sie bei ihren Auftritten von pubertierenden Kreisch-Kindern bedrängt oder auf Jahrmärkten der Eitelkeiten umschwärmt werden, obwohl sie eigentlich nichts weiter können als zu massieren, zu frisieren, zu frittieren. Es gab Zeiten, da hätte man ihnen nicht nur geraten, sondern befohlen, uns mit ihren Dummheiten zu verschonen und sich auf- oder untereinander zu vergnügen – aber das ist lange her. Am Tag, an dem sie eine für die Werbung relevante Ziel-Gruppe wurden, begann ihr Aufstieg."
Michael Jürgs weiter: „So wie man Sekundär-Tugenden kennt – Ordnung, Disziplin, Pünktlichkeit –, gibt es inzwischen Sekundär-Gefühle. Freude, Entsetzen, Trauer müssen nicht mehr eigens erlebt worden sein, sie werden erst vor-, dann nachgestellt. Danke RTL, Sat 1, RTL 2, Vox, Pro 7 ..."
Allerdings räumt er selber ein: „Es ist am Ende wohl doch sinnlos, den Gärtnern der Seichtgebiete vorzuwerfen, was durch das kommerzielle Fernsehen und die sich ihm anpassenden öffentlich-rechtlichen Anstalten sowie die ihnen anhaltend hinterher hechelnde gedruckte Konkurrenz alles untergegangen ist: Niveau, Anspruch, Diskurs-Fähigkeit. Kurzum: Kultur. Für eine solche These gibt es keine wasserdichten relevanten Statistiken und Quoten, nur Anschauungs-Material. Das lässt sich nachlesen, lässt sich sehen, ist anschaulich, versendet oder gedruckt ..."
Mittlerweile sogar im Sekunden-Takt und rund um die Uhr: Mit dem Internet und der verbreiteten Mobil-Kommunikation werden wir mit sogenannten Breaking News nur so überschwemmt. Diese kurzen, kostenlos zugänglichen Eil-Meldungen zu allen möglichen Ereignissen & Nicht-Ereignissen rund um den Globus überfluten sämtliche Medien-Kanäle. Neue Schlagzeilen praktisch im Sekunden-Takt. Diese dauer-präsenten, aber meist wenig relevanten Informationen vermitteln das Gefühl, jederzeit wissen zu müssen, was gerade irgendwo passiert. Man könnte ja schliesslich etwas Wichtiges verpassen ...
Diese „Breaking-News-Mentalität" lässt viel zu oft den Einbruch trivialer Information in den Alltag zu – und kann auf die Dauer auch unser Denken verändern. Wie soll sich ein klarer Gedanke formieren und Gestalt annehmen, wenn man sich ständig unterbrechen lässt? Wie können wir unter der Flut von Meldungen die Wesentlichen auswählen und vertiefen – bzw. uns in fundierten Artikeln und Sendungen Sinn, Hintergrund, Zusammenhänge & Auswirkungen aufzeigen lassen? Denn eines ist sicher: Breaking News machen auf Dauer weder informiert noch differenziert, weder intelligent noch gebildet, weder gesund noch zufrieden.
Genauso wenig wie das ständige Nachhecheln nach neuen Meldungen & Infos in den vielen Sozialen Netzwerken, wie neuste Untersuchungen aus Deutschland zeigen. Im Gegenteil: Viele Menschen fühlen sich – nicht nur zeitlich – heillos überfordert. Ihnen setzen vor allem die ständigen bewussten & unbewussten Vergleiche mit anderen zu. Die hier eben oft – in einem Meer von Selbst-Darstellern & Fassaden-Polierern – nicht wunschgemäss ausfallen.
Ich sage gerne, Facebook müsste eigentlich „Fassaden-Book" heissen. Und Pinterest „Schau.Mich.An." Und Twitter „Hör.Mir.Zu". Und Xing „Ich.Habe.Profil." Und so weiter und so fort ...
Der zunehmende Rückzug ins Privat-Voyeuristische macht natürlich auch vor Nachrichten & Information nicht halt. Eine Politiker-Aussage in den US-Nachrichten war in den 60er Jahren etwa 45 Sekunden lang – heute sind es noch etwa 7 Sekunden (hierzulande ist es ähnlich). Nicht dass jeder Politiker-Satz so relevant wäre, aber es zeigt doch deutlich, wohin die Reise gegangen ist. Die klassische Berichterstattung mit Reportagen, Hintergrund-Analysen & Kommentaren erscheint vielen Zuschauern heute langsam & langweilig.
Heute muss alles schnell, bunt, dramatisch & emotional sein.
In den 80er Jahren verkündete der amerikanische Medien-Wissenschaftler und damalige Star der Medien-Kritik Neil Postman: „Wir amüsieren uns zu Tode". In seinem berühmten gleichnamigen Buch (1985) vertrat er die These, das Fernsehen würde jedes Thema in Unterhaltung verwandeln und dadurch die Denk- & Urteils-Fähigkeit der Zuschauer beschneiden. Der Bilder-Zwang führe zu einer Entleerung der Inhalte und Unterdrückung der eigenen Ideen-Entwicklung. Logisches Denken weiche zugunsten von Emotionalität & Oberflächlichkeit. Jedes Thema – ob Politik, Kultur, Erziehung, Bildung etc. – erscheine als emotionalisierte, oberflächliche Unterhaltung. Die Art, wie das Fernsehen die Welt in Szene setze, sei Modell dafür, wie die Welt aussehen solle. Das Medium der totalen Enthüllung würde auch private & intime Bereiche des Lebens offen legen und moralische Verhaltens-Regeln & Scham-Gefühle verschwinden lassen.
„Fernsehen wurde nicht für Idioten erschaffen – es erzeugt sie", so Postman. Unermüdlich warnte er vor einer Trivialisierung, Boulevardisierung und Infantilisierung der Gesellschaft. Wie Affen sässen die Zuschauer in einer verschachtelten „Guck-Guck-Welt", aus deren Pseudo-Realität es kein Entrinnen mehr gäbe. Wo aber jede Menge Emotionen & Vorurteile gezüchtet würden.
Und das bereits Mitte der 80er Jahre, wo in Deutschland gerade einmal die ersten privaten TV-Kanäle an den Start gegangen waren ... Was würde Neil Postman (er verstarb 2003) wohl heute zum Zustand der Medien-Landschaft sagen, deren Entwicklung er so klar aufgezeigt und so unermüdlich kritisiert hatte? Über ein Viertel-Jahrhundert später kommt sein Einspruch noch ganz frisch daher. Bloss dass inzwischen alles noch viel krasser geworden ist mit der Oberflächlichkeit und den schnellen, billigen Emotionen. Und beileibe nicht nur im Fernsehen, sondern quer durch die ganze (internationale) Medien- & Social-Media-Landschaft ...
Neil Postman prägte auch den berühmten Begriff Infotainment (aus Information + Entertainment): „Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert", so der Medien-Kritiker in „Wir amüsieren uns zu Tode". Später formulierte Neil Postman noch eine weitere These, die zu einem geflügelten Wort geworden ist: „Wir informieren uns zu Tode".
Eine unüberschaubare Fülle von Themen & Inhalten überschwemmt uns Tag für Tag. Wir haben immer mehr Informationen und können immer weniger damit anfangen. Postman sprach von „Informations-Müll: Information als Umwelt-Verschmutzung".
Er forderte deshalb: „Wir brauchen eine Medien-Ökologie, damit der blaue Planet nicht im Informations-Müll erstickt." Wie wahr. Wir schieben uns ständig kleine Info-Snacks rein, die nicht richtig sättigen und schon gar nicht befriedigen. Zwischen den Zeilen liest man, wie gerne Postman das allgegenwärtige, immer lauter werdende mediale Rauschen auf immer mehr Kanälen – schon damals – ein paar Stufen hinunter geschaltet hätte.
Denn es ist schon so: Wenn überall geschnattert wird, hört keiner mehr richtig hin – und vor allem nicht das heraus, was wesentlich wäre.
Und wesentlich wären heute mehr kritische Stimmen in allen Lebens-Bereichen, mehr konstruktive Vordenker, unkonventionelle Querdenker, unabhängige Intellektuelle und auch handfeste Praktiker – die unsere immer komplexere Welt erklären und Richtungen aufzeigen könnten, die es sich lohnen würde zu gehen. Oder zumindest darüber nachzudenken.
Unabhängige Stimmen jenseits der riesigen, gut alimentierten PR- & Lobby-Industrie, die heute einen Grossteil der Medien kontrolliert und deren Beiträge längst untrennbar mit den redaktionellen Teilen verschmolzen sind. Heute haben über 50% der vordergründig „neutralen" redaktionellen Inhalte irgend eine Form von PR-Hintergrund – und zwar quer durch alle Medien, von Zeitungen über Internet-Portale bis hin zum Fernsehen (und weit darüber hinaus ...).
Heute beanspruchen Kommunikations-Profis als „Gestalter der Wirklichkeit" die Deutungs-Hoheit in den Medien und sind dafür besorgt, dass Image & Message möglichst schnurgerade von Wirtschaft & Politik zum lieben Konsumenten & Bürger gelangen. Und das bitteschön so unbemerkt und „neutral" wie möglich ...
Verfechter einer echten Nachhaltigkeit – jenseits der allgegenwärtigen Marketing-Slogans. Glaubwürdige Idealisten statt leidenschaftlicher Selbst-Darsteller und Interessen-Vertreter aller Art, für die Authentizität nur ein weiteres Marketing-Label ist.
„Im Medien-Zirkus geht es darum, ehrlich zu sein – wenn du das vortäuschen kannst, hast du es geschafft", wusste schon die amerikanische Entertainment-Legende George Burns.
Und da sind wir auch gleich bei einem anderen Mega-Trend, der die Medien im neuen Jahrtausend fest im Griff hat – neben der billigen Emotionalisierung oder besser gesagt in Verschmelzung mit ihr: Die Ironisierung & Bespassung der Inhalte, der Triumph der Unterhaltung über die Ernsthaftigkeit.
Ein Spässchen hier, ein ironischer Kommentar da, ein seichter Gag dort – wer sich stets in Ironie & Zweideutigkeit hüllt, entzieht sich jeglicher Klarheit & Angreifbarkeit. Wer über relevante Themen vor allem Witze reisst, braucht sich nicht ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen. Ironie und spassig-aufgesetzte Coolheit machen resistent für Kritik und nehmen einen praktischerweise auch gleich aus der Verantwortung.
Dabei wären Authentizität, eine gewisse Ernsthaftigkeit & Nachhaltigkeit und „echte" anregende Inhalte nötiger denn je – und zwar in allen Medien, von der kleinen Dorf-Zeitung bis hinauf zum grossen Fernseh-Imperium. Inhalte (nicht „Content"!), welche den Horizont erweitern, unser Denken und unsere Fantasie anregen und Bewusstsein & Sinne schärfen. Substanz. Meinungen. Hintergründe & Zusammenhänge. Wege & Visionen. Inspirierende Horizont-Erweiterung. Nicht nur Flüchtigkeit, Unverbindlichkeit, spassige Banalität.
Denn wenn wir von so vielen heutigen Medien-Inhalten Emotionen & Ironie wegnehmen, bleibt – nichts.
Keine Bedeutung, keine Erkenntnis, keine Werte, keine Verbindlichkeit.
Nichts.
PS: „Nein", sagt Monika S., „stimmt nicht ganz ..."
Sie hat das Treffen mit den Pudeln der Jacob Sisters gewonnen.
Und den Tod von Justin Biebers Hamster vergessen ...
Der Rückzug ins Private, Überschaubare, Schnucklige, Voyeuristische wurde natürlich nicht erst gestern eingeläutet, sondern schon vor vielen Jahren – aber er hat inzwischen dermassen groteske Ausmasse angenommen, dass man sich schon fast eine Revolution herbeiwünscht. Eine Revolution, die all diese unsäglich dämlichen Artikel hinwegfegt wie etwa „Die 10 kürzesten Affären von Taylor Swift", „Sissi, die süsseste Siam-Katze der Welt", „Skandal-Solarium-Mutti: Ich will in der Sonne brutzeln wie Frühstücks-Speck", „Stimmen Sie ab über die neue Frisur von Justin Bieber", „Dieses Handy ist ein klares Muss für Ihre Kids!", „So verpassen Sie keinen Promi-Tweet mehr", „Die 5 schönsten Frühlings-Farben für Ihre Acryl-Nägel", „Übler Zoff um Schalke-Schal", „Wüste Schlägerei im Parlament – auf dem Damen-Klo!", „Justin Biebers Hamster ist tot" oder „Gewinnen Sie ein Treffen mit den Pudeln der Jacob Sisters".
Emil Steinberger, der Schweizer Kabarettist & Autor, hat es wahrscheinlich am schönsten gesagt: „Die Leute kümmern sich heutzutage vor allem um sich selbst, um ihr eigenes Gärtchen. Und die Medien füllen ihre Leser vor allem mit Privat-Geschichten ab: Wer liebt wen? Wer hat Sex mit wem? Nur noch das Unmittelbare, das Lokale, das Private interessieren. Ja gopferteli, wenn es so weitergeht, werden irgendwann auch unser Kopf und unsere Gedanken kleiner. Dabei wäre gerade das Umgekehrte gefragt: Wir sollten weiter blicken, grösser denken, Grenzen überschreiten. Wir sollten uns verändern."
Ja, ja, schon klar, aber zuerst wollen wir noch schnell schauen, welcher Star im Supermarkt das Alkohol-Regal gestürmt hat – zwei Wochen nach Entlassung aus der Entzugs-Klinik. Und welcher Herzensbrecher gerade mit welcher Schlampe im Auto erwischt wurde. Und wer schon wieder versucht, das frische Gesichts-Lifting mit regelmässigem Wasser-Trinken zu erklären. Und wer hat jetzt 5 Kilos mit 5 Ananas in 5 Tagen abgespeckt? Sissi, die süsse Siam-Katze, Cindy, die süsse Wetter-Fee oder Olli, der dicke Komiker? Und warum erzielt dieser amerikanische Fernseh-Star, der Prostituierte verprügelt und Familien-Packungen Kokain konsumiert, immer noch so hohe Einschalt-Quoten?
Seit Jahren wird Journalisten & Schreiberlingen eingetrichtert, Stoffe aller Art möglichst über „saftige People-Storys" zu verkaufen – bloss nicht über langweilige, trockene Fakten. Auf diese Weise liessen sich Komplexität herunterbrechen und Stoffe greifbar machen. Egal ob Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur oder was auch immer – (fast) alles wird heute über Figuren erzählt. Im Boulevard & Entertainment sowieso. „Nasen statt Inhalt!" heisst das in der Branche.
„Boulevardisierung", so der deutsche Medien-Wissenschaftler Siegfried Weischenberg, „bedeutet ‚Entgrenzung' des Journalismus mit folgenden Faktoren: Familiarisierung, Simplifizierung, Polarisierung, Melodramatisierung und Visualisierung aller Themen."
In (fast) allen Medien zeigt sich dieser Rückzug ins Vertraute, ins Heimatlich-Regionale, ins Überschaubare und gerne auch Voyeuristische. In so vielen Zeitungen & Zeitschriften, auf so vielen Internet-Portalen, in so vielen Fernseh-Sendungen, in so vielen Köpfen ...
Innovation im Print-, Online- und TV-Journalismus bedeutete in den Nuller-Jahren vielerorts eine gewisse Verschiebung von klassisch, langweilig & trocken hin zu bunt, dramatisch & feucht. Hier noch schnell ein paar frische Promi-News, da noch eine „Die-10-besten-Irgendwas-Liste", dort noch rasch ein lustiges kleines Filmchen in saftigem „Alarm-Deutsch". Sogenanntes Alarm-Deutsch („Teppich-Luder wieder schwanger", „Süsser Nachwuchs im Soester Zoo") erfreut sich heutzutage grosser Verbreitung – und wem es gelingt, aus einem Nichts an Information eine Menge Lärm zu pressen, ist gut im Geschäft. Alarm-Deutsch geht Hand in Hand mit sogenanntem Content, was eigentlich „Inhalt" heisst und früher einmal für bedeutungsvollen Inhalt gestanden hat. Aber das ist lange her. Der (neu-deutsche) überstrapazierte Fachbegriff „Content" ist längst zum Schimpfwort verkommen.
„Content" bezeichnet heute schnell, preiswert, lieblos und industrialisiert hergestellte Medien-Inhalte aller Art mit viel billigen Emotionen (Feeling) zur Unterhaltung & Zerstreuung. Jede Menge People & Boulevard, Tiere & Gadgets, Lustiges & Ärgerliches, Spass & Tränen. Content heisst: Heiss & kalt, schnell fühlen und schnell wieder vergessen. Leichte, billige, trashige Medien-Kost. Angereichert mit möglichst vielen schnellen E-mo-tio-nen – im Dutzend natürlich billiger ...
Denn auch morgen wird wieder irgendwo geschossen, gefoult, gekrault, gefilmt, geküsst & fremdgegangen ...
Nicht nur die Gratis-Zeitungen sind voll mit „Content". Auch die sogenannte Qualitäts-Presse setzt – neben jeder Menge PR – verstärkt auf „Content". Die meisten Medien-Portale im Internet sowieso (sie müssten längst „Content-Portale" heissen ...) – und in vielen Fernseh-Konzernen werden mit dem gleichen „Content" jede Menge einzelner Sendungen „abgefüllt", jeweils in etwas unterschiedlicher Zusammensetzung. Das ist günstig, das ist effizient, das ist modernes Medien-Management.
Die Storys sollen möglichst starke Emotionen wecken, sei es Freude, Schadenfreude, Anteilnahme, Mitleid, Verblüffung, Verwirrung, Empörung oder Abscheu. Selbstverständlich wird dabei auch zur Genüge der Voyeurismus bedient: Leser & Zuschauer wollen Pikantes sehen, Amüsantes, Schnuckliges, Schlüpfriges, Peinliches, Grusliges, Verbotenes.
Als Säulen des heutigen Massen-Programm-Journalismus gelten:
- Schicksal
- Prominenz
- Sex & Crime
- Katastrophe
- Geld
- Kinder
- Tiere
„Je mehr dieser Kriterien ein Thema erfüllt, desto besser", heisst es in der Branche, „ein Programm für die Mehrheit muss die Bauch-Erwartung befriedigen."
Im Print-, Online- und Fernseh-Journalismus dominieren heute drei Ziele, die (zu) viele Medien-Macher vor Augen haben:
1. Die Leute suchen ein bisschen Information.
2. Die Leute suchen ganz viel Unterhaltung & Zerstreuung.
3. Die Leute wollen sich orientieren und mit anderen vergleichen.
Die Menschen erkennen gerne ihre eigene Welt wieder, in welcher Form auch immer. Sie wollen ihre Neugier befriedigen und stellen – meist unbewusst – laufend Vergleiche an. Sie wollen sich einordnen und orientieren – und diese Vergleiche sollen bitteschön auch öfter mal zu ihren Gunsten ausfallen. Denn beim Leser oder Zuschauer soll sich das beruhigende Gefühl einstellen, das eigene Leben sei zwar unter Umständen auch kein Brüller, aber so im direkten Vergleich mit diesem Charlie oder jener Cindy doch eigentlich ganz in Ordnung. Und ansonsten kommt morgen wieder ein neuer Charlie und nächste Woche eine neue Cindy, wo der Vergleich dann schmeichelhafter für uns ausfällt. Ganz unbewusst natürlich ...
Andy Warhol hat es bekanntlich als Erster gewusst. "In der Zukunft", so prophezeite der Papst der Pop-Art in einem legendären Statement von 1968, "wird jeder für 15 Minuten berühmt sein. Und es wird keinen Unterschied machen, wofür da einer berühmt ist, die Macht der Medien reicht als Antwort."
Amen – so ist es geschehen. Es tauchen immer mehr Prominente auf, die vor allem dafür bekannt sind, bekannt zu sein. Casting-, Doku- und viele ähnliche Formate & Events sowie ihr mediales Umfeld generieren als eine Art Durchlauf-Erhitzer eine sich laufend erneuernde Klasse von Prominenten auf Zeit. Spezifische Kompetenzen, herausragende Leistungen, ein klingender Name oder eine gewisse gesellschaftliche Stellung sind nicht mehr zwingend notwendig. Nichts können – das aber besonders gut – kann durchaus ausreichen. Zu nichts Besonderem, aber dafür zu allem fähig sein, ist oft schon mehr als genug. Ein bisschen überspitzt formuliert ...
Dabei kann Andy Warhols berühmter Ausspruch „Jeder kann in Zukunft für 15 Minuten ein Star sein" auch nach Belieben abgewandelt werden. Zum Beispiel in „Jeder kann ein Star sein, der beinahe 15 Minuten lang mit einem wirklichen Star geschlafen hat".
Medien-Wissenschaftler Jo Groebel nennt dieses Phänomen „die Demokratisierung der Prominenz": „Prominent ist, wer prominent ist. Das ist ein selbst-referenzielles System geworden. Je häufiger jemand abgebildet wird, desto prominenter ist er. Prominenz heisst Wiedererkennungs-Wert auf der Strasse, Sende-Zeit, Raum in entsprechenden Gazetten."
Viele Medien leben – vereinfacht ausgedrückt – von der Wechselwirkung zwischen dem Voyeurismus der Leser/Zuschauer und dem Exhibitionismus der Stars & Möchtegern-Stars.
Und das Karussell dreht & dreht sich, und laufend springen neue Protagonisten auf – und werden andere zum Absteigen gezwungen. Die Welt ist eine grosse Casting-Bühne permanenter Selbst-Darsteller geworden, die ihr Image und ihr Ich immer mehr zu verschmelzen versuchen. Vorangetrieben wird die gezielte Inszenierung durch die alten genauso wie durch die neuen Medien, insbesondere durch Fernsehen und Internet. Die Währung heisst Aufmerksamkeit.
Architektur-Wissenschaftler & Autor Georg Franck bringt es auf den Punkt: „Aufmerksamkeit wird zum Wert an sich, Beachtung zum zentralen Kapital. Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist etwas, von dem wir einfach nicht genug bekommen können. Das Verlangen wächst der Befriedigung ganz schnell nach."
Ganz neu ist das natürlich nicht. Eine gewisse Selbst-Inszenierung ist Teil des menschlichen Lebens. Schon morgens vor dem Spiegel oder bei der Auswahl von Kleidung & Schmuck setzen wir bewusste Signale. Und viele Situationen im täglichen Leben stellen eine Art „Casting" dar – sei das nun ein Rendez-Vous, ein Vorstellungs-Gespräch, eine Wohnungs-Besichtigung, eine Präsentation in der Firma und vieles mehr. Nur finden diese Prozesse normalerweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Und das ist in sehr vielen Fällen auch gut so. Heutzutage wird die Öffentlichkeit aber geradezu gesucht. Für alles & nichts. Das halbe Leben ist zur Bühne geworden, zur Ausstellungs-Plattform, zum Präsentier-Teller. Der Kampf um Aufmerksamkeit ist allgegenwärtig. Die heute so verbreiteten Sozialen Netzwerke stellen bereits einen ersten Schritt in die „globale Casting-Show" dar und befriedigen den aufkommenden Wunsch nach öffentlicher Präsenz.
Immer mehr (junge) Menschen denken, dass man nicht wirklich existiert, bevor man seinen Namen gedruckt sieht; dass man unmöglich sich selbst sein kann, bevor man berühmt ist. Wie stelle ich mich am besten dar, wie muss ich mich „verkaufen"? Was ist meine Besonderheit? Wie erzähle ich meine Geschichte so, dass sie fasziniert? Wie beurteilen mich andere? Wie kann ich darauf einwirken? Wie werde ich bewundert, geliebt – und vor allem berühmt? Wer und was kann mir helfen, am schnellsten zum Ziel zu kommen? Die Pflege des eigenen Images, die Arbeit an der „Marke Ich" wird immer mehr als intelligentes, ja fast überlebenswichtiges Verhalten betrachtet.
Kein Wunder: Den jungen Leuten wird ja auch pausenlos eingetrichtert, du kannst alles aus dir machen, wenn du nur willst. Wenn du nur fest genug an dich & dein Talent glaubst und alles dafür tust, deinen Traum zu verwirklichen.
Personal Branding, heisst das auf Neu-Deutsch, Marken-Bildung beim Menschen. „Brand you!" schallt es uns permanent entgegen, sage & zeige, wer du bist. Mach deutlich, was dich als Person & Brand/Marke von den anderen abhebt. Als Angestellter im Supermarkt und noch viel lieber als Protagonist auf irgendeiner Medien-Bühne.
Medien-Präsenz ist quasi zum Ritterschlag des modernen Daseins geworden: Ich finde in der Öffentlichkeit statt, also bin ich. Und man findet statt, indem man – je nach Medium, je nach Publikum – das Gewünschte liefert. Illustrative Schicksale, emotionale Geschichten, saftige Konflikte, peinliche Momente, plakative Formulierungen, klare Wertungen, einprägsame Bilder etc.
Die Leser & Zuschauer ihrerseits suchen Ablenkung, Zerstreuung, Unterhaltung, Spass, Aufregung – sie wollen mit-lesen, mit-reden, mit-lachen, mit-fiebern oder sich so richtig schön mit anderen entrüsten. Heutzutage scheint breite Bevölkerungs-Schichten nichts mehr zu interessieren als andere Menschen mit ihren Träumen & Zielen, Hochs & Tiefs, Problemen & Abgründen. Und gerade in Zeiten computer-generierter Kontrolle, Perfektion und Schönheit darf es gerne un-perfekt, un-schön und un-erhört sein.
Autor & Journalist Tom Schimmeck spricht Klartext: „Der Journalist, der allein den Kopf anspricht, nicht auf Bauch & Unterleib zielt, muss fortan scheitern. Folglich organisiert sich das Nachrichten-Gewerbe zunehmend in Erregungs-Zyklen, will mit-reiten auf der grössten Gefühls-Welle: Egal ob ein Mord oder eine Massen-Karambolage zu vermelden ist, der lässliche Lapsus eines General-Sekretärs oder der Kuss zweier Film-Stars – wir machen es, weil alle anderen es machen. Wir bringen es ganz gross. Wir vergessen es ganz schnell. Denn der nächste Tsunami rollt ja schon an. Es gibt keinen Kontext mehr, keine Entwicklungen, keine Widersprüche. Nur den herausgelösten Moment, die Milli-Sekunde des Blitzlichts. Figuren stehen umgebungslos im Raum."
Hauptsache kurzfristiger Diskussions-Stoff. Die Menschen brauchen kollektive Themen, über die sie sich mit anderen austauschen können. Heute umso mehr, als dass Politik, Wirtschaft, Religion, Kultur und auch die Familie kaum mehr Vorbilder & Identifikations-Figuren liefern und viele Menschen den erwähnten weitgehenden Rückzug ins Private vollzogen haben. Die Menschen leiden unter einer gewissen Sinn-Entleerung und inhaltlichen Führungslosigkeit.
In diese Lücke springt noch so gerne das eine oder andere Print-, Online-, Social-Media- oder TV-Format, das den Lesern bzw. Zuschauern für einen kurzen Zeitraum ein Zusammengehörigkeits-Gefühl und eine gewisse flüchtige Orientierung vermittelt.
Und das Karussell dreht sich weiter und die Rollen vermischen sich, Leser & Zuschauer werden immer öfter selber zu Medien-Protagonisten – und anschliessend wieder zu Lesern & Zuschauern ...
„Es ist ihnen gelungen, die Gesellschaft grundlegend zu verändern, indem sie diese tieferlegten wie einen Opel Manta", konstatiert Autor & Journalist Michael Jürgs.
Jürgs, Verfasser des 2009 erschienenen Buchs „Seichtgebiete – Warum wir hemmungslos verblöden", kommt zu folgender Erkenntnis: „Es gibt offenbar ein generationen-übergreifendes gesamtdeutsches Bedürfnis nach der Seichtigkeit des Seins. Mittlerweile ist eine ganze Generation von Deutschen – hier stimmt endlich mal der Begriff ‚Generation'! – aufgewachsen mit Tutti-Frutti-TV. (...) Mitschuldig am Zustand dieser Gesellschaft sind (...) auch wir Journalisten, die sich übers dumme Volk und seine Helden lustig hermachten und dadurch ungewollt viele unbedarfte Deppen zu Stars hochgeschrieben haben. Prominente Null-Nummern werden von Gossen-Guys und -Girls in bunten Blättern oder TV-Magazinen schon in dem Moment als kultig bezeichnet, wenn sie bei ihren Auftritten von pubertierenden Kreisch-Kindern bedrängt oder auf Jahrmärkten der Eitelkeiten umschwärmt werden, obwohl sie eigentlich nichts weiter können als zu massieren, zu frisieren, zu frittieren. Es gab Zeiten, da hätte man ihnen nicht nur geraten, sondern befohlen, uns mit ihren Dummheiten zu verschonen und sich auf- oder untereinander zu vergnügen – aber das ist lange her. Am Tag, an dem sie eine für die Werbung relevante Ziel-Gruppe wurden, begann ihr Aufstieg."
Michael Jürgs weiter: „So wie man Sekundär-Tugenden kennt – Ordnung, Disziplin, Pünktlichkeit –, gibt es inzwischen Sekundär-Gefühle. Freude, Entsetzen, Trauer müssen nicht mehr eigens erlebt worden sein, sie werden erst vor-, dann nachgestellt. Danke RTL, Sat 1, RTL 2, Vox, Pro 7 ..."
Allerdings räumt er selber ein: „Es ist am Ende wohl doch sinnlos, den Gärtnern der Seichtgebiete vorzuwerfen, was durch das kommerzielle Fernsehen und die sich ihm anpassenden öffentlich-rechtlichen Anstalten sowie die ihnen anhaltend hinterher hechelnde gedruckte Konkurrenz alles untergegangen ist: Niveau, Anspruch, Diskurs-Fähigkeit. Kurzum: Kultur. Für eine solche These gibt es keine wasserdichten relevanten Statistiken und Quoten, nur Anschauungs-Material. Das lässt sich nachlesen, lässt sich sehen, ist anschaulich, versendet oder gedruckt ..."
Mittlerweile sogar im Sekunden-Takt und rund um die Uhr: Mit dem Internet und der verbreiteten Mobil-Kommunikation werden wir mit sogenannten Breaking News nur so überschwemmt. Diese kurzen, kostenlos zugänglichen Eil-Meldungen zu allen möglichen Ereignissen & Nicht-Ereignissen rund um den Globus überfluten sämtliche Medien-Kanäle. Neue Schlagzeilen praktisch im Sekunden-Takt. Diese dauer-präsenten, aber meist wenig relevanten Informationen vermitteln das Gefühl, jederzeit wissen zu müssen, was gerade irgendwo passiert. Man könnte ja schliesslich etwas Wichtiges verpassen ...
Diese „Breaking-News-Mentalität" lässt viel zu oft den Einbruch trivialer Information in den Alltag zu – und kann auf die Dauer auch unser Denken verändern. Wie soll sich ein klarer Gedanke formieren und Gestalt annehmen, wenn man sich ständig unterbrechen lässt? Wie können wir unter der Flut von Meldungen die Wesentlichen auswählen und vertiefen – bzw. uns in fundierten Artikeln und Sendungen Sinn, Hintergrund, Zusammenhänge & Auswirkungen aufzeigen lassen? Denn eines ist sicher: Breaking News machen auf Dauer weder informiert noch differenziert, weder intelligent noch gebildet, weder gesund noch zufrieden.
Genauso wenig wie das ständige Nachhecheln nach neuen Meldungen & Infos in den vielen Sozialen Netzwerken, wie neuste Untersuchungen aus Deutschland zeigen. Im Gegenteil: Viele Menschen fühlen sich – nicht nur zeitlich – heillos überfordert. Ihnen setzen vor allem die ständigen bewussten & unbewussten Vergleiche mit anderen zu. Die hier eben oft – in einem Meer von Selbst-Darstellern & Fassaden-Polierern – nicht wunschgemäss ausfallen.
Ich sage gerne, Facebook müsste eigentlich „Fassaden-Book" heissen. Und Pinterest „Schau.Mich.An." Und Twitter „Hör.Mir.Zu". Und Xing „Ich.Habe.Profil." Und so weiter und so fort ...
Der zunehmende Rückzug ins Privat-Voyeuristische macht natürlich auch vor Nachrichten & Information nicht halt. Eine Politiker-Aussage in den US-Nachrichten war in den 60er Jahren etwa 45 Sekunden lang – heute sind es noch etwa 7 Sekunden (hierzulande ist es ähnlich). Nicht dass jeder Politiker-Satz so relevant wäre, aber es zeigt doch deutlich, wohin die Reise gegangen ist. Die klassische Berichterstattung mit Reportagen, Hintergrund-Analysen & Kommentaren erscheint vielen Zuschauern heute langsam & langweilig.
Heute muss alles schnell, bunt, dramatisch & emotional sein.
In den 80er Jahren verkündete der amerikanische Medien-Wissenschaftler und damalige Star der Medien-Kritik Neil Postman: „Wir amüsieren uns zu Tode". In seinem berühmten gleichnamigen Buch (1985) vertrat er die These, das Fernsehen würde jedes Thema in Unterhaltung verwandeln und dadurch die Denk- & Urteils-Fähigkeit der Zuschauer beschneiden. Der Bilder-Zwang führe zu einer Entleerung der Inhalte und Unterdrückung der eigenen Ideen-Entwicklung. Logisches Denken weiche zugunsten von Emotionalität & Oberflächlichkeit. Jedes Thema – ob Politik, Kultur, Erziehung, Bildung etc. – erscheine als emotionalisierte, oberflächliche Unterhaltung. Die Art, wie das Fernsehen die Welt in Szene setze, sei Modell dafür, wie die Welt aussehen solle. Das Medium der totalen Enthüllung würde auch private & intime Bereiche des Lebens offen legen und moralische Verhaltens-Regeln & Scham-Gefühle verschwinden lassen.
„Fernsehen wurde nicht für Idioten erschaffen – es erzeugt sie", so Postman. Unermüdlich warnte er vor einer Trivialisierung, Boulevardisierung und Infantilisierung der Gesellschaft. Wie Affen sässen die Zuschauer in einer verschachtelten „Guck-Guck-Welt", aus deren Pseudo-Realität es kein Entrinnen mehr gäbe. Wo aber jede Menge Emotionen & Vorurteile gezüchtet würden.
Und das bereits Mitte der 80er Jahre, wo in Deutschland gerade einmal die ersten privaten TV-Kanäle an den Start gegangen waren ... Was würde Neil Postman (er verstarb 2003) wohl heute zum Zustand der Medien-Landschaft sagen, deren Entwicklung er so klar aufgezeigt und so unermüdlich kritisiert hatte? Über ein Viertel-Jahrhundert später kommt sein Einspruch noch ganz frisch daher. Bloss dass inzwischen alles noch viel krasser geworden ist mit der Oberflächlichkeit und den schnellen, billigen Emotionen. Und beileibe nicht nur im Fernsehen, sondern quer durch die ganze (internationale) Medien- & Social-Media-Landschaft ...
Neil Postman prägte auch den berühmten Begriff Infotainment (aus Information + Entertainment): „Problematisch am Fernsehen ist nicht, dass es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, dass es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert", so der Medien-Kritiker in „Wir amüsieren uns zu Tode". Später formulierte Neil Postman noch eine weitere These, die zu einem geflügelten Wort geworden ist: „Wir informieren uns zu Tode".
Eine unüberschaubare Fülle von Themen & Inhalten überschwemmt uns Tag für Tag. Wir haben immer mehr Informationen und können immer weniger damit anfangen. Postman sprach von „Informations-Müll: Information als Umwelt-Verschmutzung".
Er forderte deshalb: „Wir brauchen eine Medien-Ökologie, damit der blaue Planet nicht im Informations-Müll erstickt." Wie wahr. Wir schieben uns ständig kleine Info-Snacks rein, die nicht richtig sättigen und schon gar nicht befriedigen. Zwischen den Zeilen liest man, wie gerne Postman das allgegenwärtige, immer lauter werdende mediale Rauschen auf immer mehr Kanälen – schon damals – ein paar Stufen hinunter geschaltet hätte.
Denn es ist schon so: Wenn überall geschnattert wird, hört keiner mehr richtig hin – und vor allem nicht das heraus, was wesentlich wäre.
Und wesentlich wären heute mehr kritische Stimmen in allen Lebens-Bereichen, mehr konstruktive Vordenker, unkonventionelle Querdenker, unabhängige Intellektuelle und auch handfeste Praktiker – die unsere immer komplexere Welt erklären und Richtungen aufzeigen könnten, die es sich lohnen würde zu gehen. Oder zumindest darüber nachzudenken.
Unabhängige Stimmen jenseits der riesigen, gut alimentierten PR- & Lobby-Industrie, die heute einen Grossteil der Medien kontrolliert und deren Beiträge längst untrennbar mit den redaktionellen Teilen verschmolzen sind. Heute haben über 50% der vordergründig „neutralen" redaktionellen Inhalte irgend eine Form von PR-Hintergrund – und zwar quer durch alle Medien, von Zeitungen über Internet-Portale bis hin zum Fernsehen (und weit darüber hinaus ...).
Heute beanspruchen Kommunikations-Profis als „Gestalter der Wirklichkeit" die Deutungs-Hoheit in den Medien und sind dafür besorgt, dass Image & Message möglichst schnurgerade von Wirtschaft & Politik zum lieben Konsumenten & Bürger gelangen. Und das bitteschön so unbemerkt und „neutral" wie möglich ...
Verfechter einer echten Nachhaltigkeit – jenseits der allgegenwärtigen Marketing-Slogans. Glaubwürdige Idealisten statt leidenschaftlicher Selbst-Darsteller und Interessen-Vertreter aller Art, für die Authentizität nur ein weiteres Marketing-Label ist.
„Im Medien-Zirkus geht es darum, ehrlich zu sein – wenn du das vortäuschen kannst, hast du es geschafft", wusste schon die amerikanische Entertainment-Legende George Burns.
Und da sind wir auch gleich bei einem anderen Mega-Trend, der die Medien im neuen Jahrtausend fest im Griff hat – neben der billigen Emotionalisierung oder besser gesagt in Verschmelzung mit ihr: Die Ironisierung & Bespassung der Inhalte, der Triumph der Unterhaltung über die Ernsthaftigkeit.
Ein Spässchen hier, ein ironischer Kommentar da, ein seichter Gag dort – wer sich stets in Ironie & Zweideutigkeit hüllt, entzieht sich jeglicher Klarheit & Angreifbarkeit. Wer über relevante Themen vor allem Witze reisst, braucht sich nicht ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen. Ironie und spassig-aufgesetzte Coolheit machen resistent für Kritik und nehmen einen praktischerweise auch gleich aus der Verantwortung.
Dabei wären Authentizität, eine gewisse Ernsthaftigkeit & Nachhaltigkeit und „echte" anregende Inhalte nötiger denn je – und zwar in allen Medien, von der kleinen Dorf-Zeitung bis hinauf zum grossen Fernseh-Imperium. Inhalte (nicht „Content"!), welche den Horizont erweitern, unser Denken und unsere Fantasie anregen und Bewusstsein & Sinne schärfen. Substanz. Meinungen. Hintergründe & Zusammenhänge. Wege & Visionen. Inspirierende Horizont-Erweiterung. Nicht nur Flüchtigkeit, Unverbindlichkeit, spassige Banalität.
Denn wenn wir von so vielen heutigen Medien-Inhalten Emotionen & Ironie wegnehmen, bleibt – nichts.
Keine Bedeutung, keine Erkenntnis, keine Werte, keine Verbindlichkeit.
Nichts.
PS: „Nein", sagt Monika S., „stimmt nicht ganz ..."
Sie hat das Treffen mit den Pudeln der Jacob Sisters gewonnen.
Und den Tod von Justin Biebers Hamster vergessen ...