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Gastronomie Suisse – unverschämt eingelocht!

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Eine Freundin erzählte mir nach einem Australien-Urlaub, ein Kellner habe sie in einem Coffee Shop down under gefragt, ob sie zum Kaffee einen Kuchen oder sonst etwas Süsses haben möchte, und sie habe «Nein, danke» gesagt. Seine Antwort: «Great! Fantastic!» Und es habe so gar nicht aufgesetzt geklungen, sondern freundlich-ungezwungen. Man stelle sich das einmal hierzulande vor: «Möchten Sie zum Hamburger noch eine Cola?» «Nein, danke!» «Toll, wunderbar!» Oder im Café: «Möchten Sie zum Espresso noch einen Muffin?» «Nein, danke!» «Grossartig!» Schwer vorstellbar, bei uns würde das künstlich-übertrieben und anbiedernd klingen. Man würde sich fragen, was der denn geraucht oder die denn getrunken hat. Obschon man auf diese Weise vielleicht dem einen oder anderen Wohlstands-Problemchen ein bisschen zu Leibe rücken könnte … 

Ich bin selten in Cafés, Kneipen, Gaststätten, Restaurants, FastFood-Tempeln etc. – und habe noch seltener erfreuliche Erfahrungen mit der Schweizer Gastronomie gemacht. Meistens ging es gerade noch so einigermassen. Diese Erfahrung machen viele Leute hierzulande. Nicht umsonst gilt die Schweizer Gastronomie als wenig gastfreundlich, überteuert und einfallslos (ausser beim Kosten-Faktoren addieren). Trotzdem würde man sich natürlich gerne einmal vom Gegenteil überzeugen lassen. Leider war mir/uns das auch dieses Jahr nicht vergönnt. 

Mein Mann organisiert jeden Sommer einen «Club Lunch» für Oldtimer-Freunde, jedes Jahr an einem anderen Schweizer Ort. Man trifft sich zum Apéro und Bestaunen der schönen Fahrzeuge, macht dann eine gemeinsame einstündige Rundfahrt und geniesst anschliessend ein Mittagessen mit Schwätzchen in angenehmer Gesellschaft. Diesen Sommer waren wir in einem Golf Resort in der Westschweiz. Ein malerischer Ort mit saftigem Grün, einer schönen Terrasse im Lounge-Stil und einer wunderbaren Aussicht auf die umliegenden Berge & Seen. Zum Aufreihen der schmucken Oldtimer gab es ausreichend Parkplätze & Ambiente vor dem Resort. Man fühlte sich zurückversetzt in längst vergangene Zeiten, als würde gleich Steve McQueen um die Ecke biegen für ein, zwei Runden Golf. Oder Serien-Held Magnum müsste einen besonders kniffligen Mordfall am neunten Loch lösen. Oder Inspektor Columbo käme zwischen den Büschen hervorgekrochen und hätte noch eine kleine Frage. Oder der Künstler Jean Tinguely und der Rennfahrer Jo Siffert, zwei Freunde aus Fribourg, der Meister der sinnlosen Bewegung und der Meister der sinnlosen Geschwindigkeit, würden auf der Terrasse rauchend & trinkend den Blick über die Landschaft schweifen lassen wie über eine schön geschwungene Rennstrecke.

Mein Mann & ich haben zwar (noch) keinen Oldtimer, aber in zwei Jahren wird mein alter Alltags-Alfa 30 Jahre alt und damit offiziell zum Oldtimer! Wir lieben diese alten Fahrzeuge, deren Charme, elegante Formen und auch Macken (!) sich so nachdrücklich abheben vom heutigen Quadratisch-Praktisch-Geräumig-Leistungsfähig-Sicher-Kanon. Wir haben auch schon einen selbst kreierten «Preis für den grössten Charme-Bolzen» verliehen! 

Leider steckt hinter ein paar Stunden Oldtimer-Vergnügen eine ganze Menge Vorbereitungs-Aufwand. Schon im Vorjahr der entsprechenden Veranstaltung wird nach einer passenden hübschen Örtlichkeit gesucht, die ausreichend Platz für ein paar Dutzend Gäste und gute Anfahr- & Park-Verhältnisse bietet. Ausserdem muss eine gemütliche Rundfahrt mit ein bisschen Aussicht möglich sein – je nachdem unter Einbezug der örtlichen Polizei. Und jedes Jahr sollte eine andere Schweizer Region berücksichtigt werden, da Oldtimer-Freunde aus allen Landesteilen Abwechslung schätzen. Also besucht & checkt man mögliche Lokalitäten und holt erste Offerten ein. Anschliessend geht es an die Feinarbeit, man wählt eine passende Lokalität aus, lässt die Offerte detailliert anpassen, arbeitet einen Zeit-Plan aus und bespricht die nötigen Einzelheiten vor Ort. Zu Hause am PC wird dann eine grobe Route für die geplante Rundfahrt vorbereitet. Diese fährt man später vor Ort mehrmals ab, überprüft sie auf Praxis-Tauglichkeit und macht die nötigen Fotos & Notizen. Danach erstellt man ein entsprechendes «Roadbook» mit Fotos, Kilometer- & Abzweigungs-Angaben, in unserem Fall auf deutsch und zusätzlich auf englisch (für nicht deutschsprachige Teilnehmer). Zwar fahren bei einer Rundfahrt erst einmal alle Teilnehmer/innen hintereinander her, aber so ein Corso kann rasch abreissen, und viele «Oldies» sind nicht mit «Navis» nachgerüstet. Abgesehen davon sind Roadbooks eine alte Tradition und versprühen auch im Zeitalter von Navigations-Geräten und allfälligen Beifahrern mit gezücktem Handy einen gewissen nostalgischen Charme. Überdies kann man so nach Lust & Laune zu einem späteren Zeitpunkt nochmals eine individuelle Rundfahrt machen und hat gleich eine schöne Route zur Hand. 

Ein paar Wochen vor dem Event schreibt man dann Einladungen und schickt sie an Club-Mitglieder/innen & Interessierte hinaus. Man weiss im Voraus natürlich nie genau, wie viele Teilnehmer/innen dabei sein werden, aber man hat Erfahrungswerte aus der Vorjahren. Darüber hinaus gibt es immer wieder Veränderungen, also Abmeldungen von bereits Angemeldeten und verspätete Anmeldungen von Nachzüglern. Erfahrungsgemäss bis zum letzten Tag! Und erfahrungsgemäss gibt es auch immer wieder Teilnehmer, die ihr Erscheinen vom Wetter abhängig machen. All das macht die Organisation nicht einfacher. 

Aber all das ginge ja noch, wenn man nicht alle Jahre wieder zusätzlichen Frust von Seiten der Gastronomie erleben würde. Jedes Jahr hofft man, dieses Jahr wird es vielleicht anders – aber in all den Jahren ist es nie besser geworden. Rückblickend gab es immer diverse ärgerliche Vorkommnisse, und das Preis/Leistungs-Verhältnis war stets in ziemlicher Schieflage. Und scheint immer noch schiefer & unverschämter zu werden. Wobei ich natürlich keineswegs alle Lokalitäten in einen Topf werfen möchte, es gibt gewiss auch angenehme Anbieter, keine Frage. Nur sind uns die leider nie wirklich begegnet. Und dieses Jahr schon gar nicht. 

Wir hätten bereits gewarnt sein sollen, als uns kurz nach Bestätigung der Detail-Offerte eine neuerliche E-Mail erreichte. Man muss vorausschicken, dass so ein Event mit Champagner-Apéro und anschliessendem Lunch mit Dessert an einem gediegenen Ort nicht günstig ist. Zumal auch beim Essen wieder alkoholische Getränke zur Verfügung stehen – auch wenn man natürlich nicht übermässig bechern kann, wenn man vorher, nachher und selbst dazwischen Auto fährt! Aber das nimmt man in Kauf, es ist ja nur einmal im Jahr, es soll ein schönes Treffen sein und darf auch etwas kosten. Alles ok. Wir selber arbeiten ehrenamtlich, aber man möchte wenigstens die Ausgaben für die Gastronomie über die Teilnahme-Gebühren decken. Und dieser Betrag sollte nicht abschreckend wirken. 

Die vereinbarten Kosten pro Teilnehmer lagen bereits über Budget, als also eine neuerliche E-Mail aus dem schönen Golf Resort hereinflatterte. Der zuständige Mitarbeiter hätte das Resort verlassen, man habe die Offerte anpassen müssen, der vereinbarte (ziemlich teure) Champagner stünde nicht mehr zur Verfügung, es gäbe jetzt eine andere (noch teurere) Sorte, aber das sei doch sicher auch ok. Plus ein paar andere Kleinigkeiten, die ebenfalls angepasst worden waren. Man musste es wohl oder übel hinnehmen, die Anmeldungen waren bereits verschickt. 

Der Tag unseres Oldtimer-Treffens 2018 war ein strahlender Sonntag im Juli, bestes Wetter im Gegensatz zum Vorjahr – die Stimmung war gut, das «Alt-Metall» glänzte in der Sonne, man traf auf alte & neue Bekannte, schwatzte & fachsimpelte, genoss den schönen Sommer-Tag und trank zum Auftakt ein Gläschen Champagner oder Wein, alternativ Wasser oder Fruchtsaft. Bis sich dann die meisten Teilnehmer/innen zur einstündigen Rundfahrt durch das Umland aufmachten. Ein paar Leute bleiben immer zurück bzw. lassen den Partner alleine fahren. Und wollen natürlich in der Zwischenzeit nicht ganz auf dem Trockenen sitzen. Aber schwupps, kaum waren die Oldtimer abgefahren, war der Apéro abgeräumt. Und zwar vollständig. Man hätte ja wenigstens die angefangenen (teuren) Champagner- & Wein-Flaschen stehen lassen können. Aber nichts da. Als die ersten Dagebliebenen Nachschub holen wollten, wurden eilig neue Schampus-Flaschen geköpft – und eine separate Rechnung aufgemacht. Und darüber hinaus musste ich weiterhin die gleiche Unsitte mitansehen wie schon zuvor: Das erste Champagner-Glas jeder Flasche wurde randvoll eingeschenkt & weggestellt («Abfall» sozusagen) – und erst das zweite Glas dem Gast gereicht bzw. aufs Buffet gestellt. Als ich kurz nachfragte, was das alles soll, wurde nur lapidar mit den Schultern gezuckt, ganz nach dem Motto: Ich nix verstehen, ich nur französisch sprechen, ich nur Umsatz bolzen …  

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Beim anschliessenden Mittagessen wurde dann weiterhin übereifrig nachgeschenkt (wieder das gleiche Spiel: alle angefangenen Flaschen weg, neue geöffnet, obschon u.a. der gleiche Wein & Champagner gereicht wurden). Aber diese Energie hätte man besser in der Küche investiert. Das Fleisch war ein halbroher, zäher Lappen. Ich selber bin ein seltener Fleisch-Esser, aber wenn ich schon mal Fleisch esse in angenehmer Runde, möchte ich nicht Tage später noch verdauen müssen. Und vor allem: Die Gäste sollen nicht betreten ihr Fleisch an den Tellerrand schieben müssen, die meisten zu höflich, etwas zu sagen, ein paar wenige am Reklamieren, bitte bringen Sie mir etwas Essbares – völlig zurecht. Und der Gastgeber steht da, als hätte er einen billigen Bock bestellt – dabei war das Gegenteil der Fall. Es war einfach richtig schlecht, so ähnlich muss wohl ein nasser Golfball schmecken. An meinem Tisch haben praktisch alle den ungeniessbaren Fleisch-Kloss beiseite geschoben und verlegen in den Brot-Körben gewühlt. Die kleine Gemüse-Beilage hat nicht allzu viel hergegeben. 

Später, als die meisten Gäste gegangen waren, habe ich dem Chef-Kellner gesagt, das Fleisch sei ungeniessbar gewesen, niemand an unserem Tisch hätte es aufgegessen, aber die meisten Leute wollten sich nicht durch Reklamieren hervortun. Er versprach Abklärung. Kam dann aber mit einer fadenscheinigen Erklärung aus der Küche zurück, es sei halt schwierig, das Fleisch überall gut anzubraten, das könne schon mal vorkommen oder so ähnlich. Ich habe nur die Hälfte verstanden, er sprach ein schnelles Französisch mit Lokal-Kolorit. Aber ich komme ja als Gast nicht in ein Lokal, um Koch-Unterricht zu erteilen, sondern um das Essen zu geniessen. Oder eben nicht. Lange Rede, kurzer Sinn: Eine Preis-Reduktion könne man nicht gewähren, man sei schliesslich bereit gewesen, jenen (wenigen) Gästen, die resolut genug reklamiert hätten, ein besseres Stück Fleisch zu servieren. Was soll man da tun? 

Der Schauspieler Michael Caine sass einmal im Flugzeug, als eine Frau auf ihn zustürmte und mit greller Stimme auf ihn einredete: «Hey, sind Sie nicht dieser Michael Caine, dem die South Beach Brasserie in Miami gehört? Ich habe da gestern ein Steak bestellt, medium gebraten, und was bringt der Kellner? Ein durchgebratenes Steak, was sagen Sie denn dazu?» – Als das Flugzeug gelandet war, rief er sofort seinen Manager an: «Verkaufe heute noch alle meine Restaurants. Ich will nie wieder wegen eines Steaks angesprochen werden.» 

Wir hatten auch nicht viel Lust, wegen ungeniessbarem Fleisch zu streiten. Und wegen überteuerter Preise für unverschämte Leistungen eine Aussprache mit dem Manager zu verlangen irgendwann in der kommenden Woche. Die Gesamt-Rechnung fiel dann – Surprise, Surprise! – richtig übel aus. Gründe für zusätzliche «Aufwendungen» findet man schliesslich immer, wenn man welche finden will. Und sonst macht man sie halt. Indem man beispielsweise angefangene Flaschen schneller verschwinden lässt als draussen auf dem Grün eingelocht wird. 

Unter anderem musste man zwei Tage vor der Veranstaltung die verbindliche Anzahl Teilnehmer melden, nachdem eine Woche vorher die voraussichtliche Anzahl Gäste gemäss eingegangener Anmeldungen durchgegeben wurde. Wie erwähnt kann es bis zuletzt leichte Abweichungen geben. Diesmal weil kurzfristig zwei Teilnehmer erkrankt waren. Natürlich kann man nicht 70 Leute anmelden, mit 50 Gästen erscheinen und Kulanz erwarten. Aber man sollte meinen, dass bei 70 oder mehr Teilnehmern +/- 2 Personen akzeptabel sind. Falsch gedacht. Die fehlenden Teilnehmer wurden voll verrechnet und dabei – rechtlich wohl korrekt – auf das Kleingedruckte verwiesen. Echte Schweizer Gastfreundschaft eben! 

Nach einigem Hin & Her haben wir zähneknirschend die sinnlos überteuerte Rechnung bezahlt («Es ist so schrecklich viel getrunken worden …»). Was natürlich einen Verlust für den Gesamt-Event bedeutete. Und – schlimmer noch – den ansonsten gelungenen, strahlend schönen Tag in schlechter Erinnerung zurückbehält. 

Irgendwie scheint es jedes Jahr noch ärgerlicher zu werden mit der Abzocke, und noch schwieriger, sich selbst zum Weitermachen zu motivieren. Warum tut man sich das überhaupt noch an? Aber jedes Mal spricht man sich wieder selber Mut zu: Nächstes Jahr sind wir an einem anderen Ort, in einem anderen Lokal, neues Jahr, neues Glück, nächstes Jahr werden wir verdammt nochmal endlich einmal positiv überrascht von der Schweizer Gastronomie. Alle Jahre wieder … 

Vielleicht liegt es nicht zuletzt auch daran, dass sich viele Gastronomen sagen, schau mal an, da kommen Oldtimer-Freunde mit (teilweise) teuren Fahrzeugen, die haben bestimmt Kohle, das sind Geldscheine auf zwei Beinen, da spielt es keine Rolle, wenn wir ein bisschen mehr verrechnen als sonst, noch ein wenig unverschämter sind als üblich, noch ein bisschen dreister abzocken als gewohnt. Herzlich willkommen! 

Gibt es auch etwas Positives zu erwähnen? 

Ja, kein einziger verirrter Golfball hat irgendeine Oldtimer-Haube getroffen. 

Mehr darf man wohl nicht erwarten.  


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